Mittwoch, 19. Januar 2011

Zwei Weltmächte unter sich

Die Beziehungen zwischen China und den USA haben ein schwieriges Jahr hinter sich. Bei seinem US-Besuch will Chinas Staatschef Hu Jintao die Atmosphäre zwischen den Großmächten wieder verbessern. Was ist von einem Gipfeltreffen zu erwarten?

Mit großen Worten hat Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao die Erwartungen für seinen Staatsbesuch in den USA formuliert. „Wir sollten im Interesse unserer Völker handeln und die übergeordneten Belange des Weltfriedens und der Entwicklung hochhalten“, erklärte Hu in am Montag veröffentlichten Interviews mit der „Washington Post“ und dem „Wall Street Journal“. Laut Hu sollten beide Länder die Nullsummenmentalität des Kalten Krieges hinter sich lassen.
Doch Hoffnungen auf eine dauerhafte Verbesserung der Beziehungen beider Länder dürften auch nach dem Treffen von Hu mit US-Präsident Barack Obama enttäuscht werden. Zwar misst die chinesische Führung den Beziehungen mit den USA große Bedeutung bei.
Doch mit Chinas wirtschaftlichem Aufschwung ist auch dessen Selbstvertrauen gewachsen, das der US-Botschafter in China, Jon Huntsman, laut von Wikileaks enthüllten Dokumenten gar als „chinesische Überheblichkeit“ bezeichnete. Mit Nachdruck versucht China, eigene Interessen durchzusetzen – auch gegenüber der Supermacht USA. Getrieben wird die Volksrepublik vom Wunsch nach internationaler Anerkennung. Dazu passt, dass China auch zu einem immer größeren Konkurrenten für westliche Entwicklungsorganisationen wird: Die Volksrepublik vergab in den vergangenen zwei Jahren mehr Kredite an Schwellen- und Entwicklungsländer als die Weltbank. Dies berichtete die „Financial Times“ am Dienstag. Demnach verlieh China 2009 und 2010 mindestens 110 Milliarden Dollar an Regierungen und Unternehmen aus der Dritten Welt. Die Weltbank habe in diesem Zeitraum Kredite über 100,3 Milliarden Dollar an Entwicklungsländer vergeben. Damit baut die Volksrepublik ihren weltweiten Einfluss kontinuierlich aus.
Peking will mit Washington auf Augenhöhe agieren. Dabei hat China sich noch nicht entschieden, ob es die USA als Partner oder als Konkurrent betrachten will. Deswegen sind die Signale, die China derzeit aussendet, eher gemischt.
So wollen Hu Jintaos versöhnliche Worte nicht richtig zur eigentlichen Position der chinesischen Führung passen. Denn in keiner der vielen Streitfragen mit den USA scheint Peking bereit, sich wirklich zu bewegen. So bügelte Hu die wiederholten Forderungen nach einer stärkeren Aufwertung des Yuan im Vorfeld seines US-Besuches erneut ab. Doch nicht nur in Wirtschaftsfragen gibt man sich unnachgiebig. Auch beim Thema Menschenrechte wird man keine Annäherung erwarten können – Einmischung von außen unerwünscht. Die USA aber dürfte das kaum davon abhalten, die Menschenrechtssituation anzusprechen. In der Nordkoreakrise ist man sich zwar einig, dass eine neuerliche Eskalation der Situation verhindert werden muss, der Weg dahin bleibt strittig. Vor allem aber der Streitpunkt Taiwan dürfte die chinesisch-amerikanischen Beziehungen weiterhin belasten. Aus Ärger über US-Waffenlieferungen an Taiwan, das China als abtrünnige Provinz betrachtet, hatte Peking gar die Militärkontakte mit den USA vor etwa einem Jahr weitgehend eingefroren. Dennoch sind weitere US-Waffengeschäfte mit Taiwan absehbar.
Obwohl der Besuch von US-Verteidigungsminister Robert Gates in Peking vergangene Woche neue Bewegung in die Militärbeziehungen gebracht hat, bleiben diese brisant. Denn China rüstet auf, zeigt den USA überdeutlich seine Muskeln. So überraschte die Nachricht vom erfolgreichen Testflug eines chinesischen Tarnkappen-Kampfflugzeugs Gates, als dieser gerade in Peking mit Hu Jintao zusammentraf. Kaum Zufall, sondern Signal, dass es die USA nicht nur mit einer wirtschaftlich, sondern auch mit einer militärisch aufstrebenden Macht zu tun haben. „Chinas Entwicklung von Waffen und Ausrüstung folgt seinen eigenen Notwendigkeiten, um seine Souveränität, Sicherheit und territoriale Integrität zu schützen“, ließ das chinesische Außenministerium verkünden. Pekings ungewöhnliche Offenheit in Rüstungsfragen scheint eine Reaktion auf das starke Engagement der USA im Westpazifik zu sein. Chinas Führung betrachtet diese Entwicklung mit Argwohn, sieht eigene Interessen in der Region gefährdet.
Wie wichtig der Besuch auch für die USA ist, zeigen die akribischen Vorbereitungen aufseiten der Gastgeber. Ausländische Diplomaten wurden eigens ins Außenministerium geladen, um einer Grundsatzrede der Hausherrin Hillary Clinton zu den amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu lauschen. Ein Schlüsselsatz daraus lautete: „Dies ist kein Verhältnis, das einfach in Schwarz-Weiß-Kategorien passt, wie etwa Freund oder Rivale.“ Man sei an einem „kritischen Punkt“ der Beziehungen angelangt. Das klingt ganz nach Überdenken alter Schablonen und nach Neubeginn. Trotzdem ist es kein Zufall, dass Clinton auch betont hat, dass die Wirtschaftskraft Chinas lediglich ein Drittel der US-Wirtschaft entspricht. Die realen Kräfteverhältnisse sollen klargemacht werden. 

Schließlich werten einige Kommentatoren den Gipfel in Washington als das Treffen einer aufsteigenden Großmacht mit einer Weltmacht, die ihre besten Zeiten hinter sich hat.

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